Presseartikel

aus dem Garmisch-Partenkirchner Tagblatt:


30.08.2004: "Ende sorgt für Visionen"
Gemeinde will Projekte ausbauen

Garmisch-Partenkirchen - An Fäden hängen Bücher von der Decke, die man herabziehen kann. Ein Bub mit Schirmmütze sitzt da, allein, dem Ausstellungsrummel entrückt, in "Momo" versunken. Eingetaucht in geheimnisvolle Welten, die sich Michael Ende als Bub erträumte, wenn er die rätselhaften Bilder seines Vaters sah. Der fantastische Erzähler kann auch Erwachsene verzaubern - wie Bürgermeister Thomas Schmid. Der träumt davon, Ende in der Literatur für Garmisch-Partenkirchen zu dem zu machen, was Richard Strauss in der Musik ist: ein Aushängeschild.

Auch Georg Büttel, künstlerischer Leiter des "Kultursommers", hat Visionen. Bei der Eröffnung der Ausstellung steht er im Kurpark vor der Linde, die der Schriftsteller pflanzte, und malt sich aus, die Anlage Schritt für Schritt in einen Zaubergarten zu verwandeln. Anfänge sind schon gemacht. Das Labyrinth um den Baum. Drache und Schildkröte, von Gemeindegärtnern aus Blumen geformt. Oder Kultursommer-Veranstalter Florian Zwipf-Zaharia, der eine Menge Zeit in die Ausstellung steckte und voller Freude auf das Werk vieler Hände blickt. Nicht nur, weil er seinem Sohn "Jim Knopf" und "Lukas der Lokomotivführer" aus der Augsburger Puppenkiste zeigen kann. Auch, weil namhafte zeitgenössische Künstler die fantastische Malerei Edgar Endes weiterentwickeln und so viele "tolle Werke" zur Ausstellung beisteuern.

Zwipf hat wie der Rathauschef noch viel mit Ende vor und ist sich der Erwartungen bewusst, welche das erste Michael-Ende-Festival weckt: "Den Schwung halten wird künftig unsere Aufgabe sein."

Die Vernissage bringt auch Werke von Menschen zusammen, die mit Ende befreundet waren. Wie zum Beispiel vom Künstler Hans Burger, der auf den Einfluss des Schriftstellers hinweist: "Harry Potter hat die Saat, die Ende legte, geerntet." Vom langjährigen Weggefährten Wilfried Hiller erklingt zur Eröffnung Musik. Begehrtester Gesprächspartner ist aber Roman Hocke, den Ende adoptiert hatte. Er beleuchtet in seinem Vortrag das besondere Verhältnis von Edgar und Michael Ende, "eine der ungewöhnlichsten Vater-Sohn-Beziehungen unter den Künstlern des 20. Jahrhunderts". Er beschreibt, wie Edgar Ende im Dunkeln saß und wartete, bis sich das bewusste Denken ausschaltete und er die Bilder "schaute", die er dann malte. Beide führte der Weg von der Außen- in die Innenwelt. Beide blickten nach "Phantásien". Beide verweigerten jede Antwort nach der Bedeutung ihres Werkes, es gebe keinen Schlüssel. Von Garmisch-Partenkirchen zog die Familie nach Schwabing. In der Atelier-Wohnung unter Glasdach konnte Michael die Sterne sehen. Künstlerische Fragen waren wichtiger als die materielle Armut. Und beide Männer interessierten sich lebenslang für philosophische Systeme, denen ein magisches Weltbild zu Grunde liegt.

Die gemeinsame Kunst von Vater und Sohn
Vor weniger als einem Jahr wurde die Phantastische Gesellschaft gegründet. Sie begann sehr schnell mit der Arbeit, nämlich aller Menschen habhaft zu werden, die noch etwas über Michael Ende und seine Familie wissen. Die Funde wurden der Erlebnis-Ausstellung "Der Anfang vom Ende" einverleibt, die am 28. August, dem Todestag Michael Endes, im Garmischer Kurhaus eröffnet wurde, und bis zum 14. November, seinem Geburtstag, gezeigt wird. Die "wunderbare Ausstellung" soll, formulierte es Bürgermeister Thomas Schmid, "Standards setzen". Sie wird - und das ist ein Novum im Ort - museumspädagogisch begleitet und soll viele Schulklassen auf den Erfinder der "Unendlichen Geschichte" neugierig machen. Die Besucher erfahren, dass Ende auf einer Piazza in Palermo einem Geschichtenerzähler zuhörte und beschloss, die Phantasie der Menschen zum Blühen zu bringen. Sie begegnen dem Nashorn "Norbert Nackendick" und all den anderen Figuren, die für viele Menschen auf der ganzen Welt zu den Freunden der Kindheit gehören. Ein "Italienfenster" erinnert an die Wahlheimat Endes, wo die erste Ehefrau, die Schauspielerin Ingeborg Hoffmann, starb. Die "Japan-Ecke" ist seiner zweiten Frau Mariko Sato gewidmet, die ihn in die Geheimnisse der japanischen Kultur einführte. Originalmanuskripte, Fotos, Zeichnungen von Buchillustratoren, Hör- und Sehmaterial und verblüffende optische Illusionen machen Lust, den Schriftsteller wieder zu entdecken. Die geheimnisvollen Bilder des phantastischen Malers Edgar Ende, selten gezeigte Originale, fordern den Betrachter zu Deutungen heraus. Sie haben das literarische Schaffen des Sohnes nachhaltig beeinflusst.