Presseartikel

aus dem Garmisch-Partenkirchner Tagblatt:


14.08.2004: "Versunken in unendlich phantastischen Welten"
Tanja Kinkel setzt Endes Legenden fort

"... aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden." Dieser Satz taucht häufig in der "Unendlichen Geschichte" von Michael Ende auf. 25 Jahre nach ihrer Schöpfung setzen fünf Phantásien-Forscher die Legenden fort. Eine von ihnen ist Tanja Kinkel: In ihrem "König der Narren" lernt man die Weberinnen von Siridom kennen, deren wunderschöne Teppiche Motive aus der phantastischen Geschichte zeigen. Auf einem Exemplar entdeckt das Mädchen Res Hinweise auf den Verlorenen Kaiser, der das Land angeblich schon früher einmal vor dem Nichts gerettet hat. Mehr davon hört das Kultursommer-Publikum in der Phantastischen Nacht am 16. September, bei der Lesung mit Kinkel und zwei weiteren Autoren.

Inspiriert vom Teppich von Bayeux, auf dem die Details der normannischen Eroberung von England zu sehen sind, entschied die Bambergerin: "Meine Heldin würde zu den Weberinnen gehören, aber eben nicht ganz: Sie würde ihre Geschichte selbst erleben, statt nur andere Geschichten darstellen zu wollen." Nachdem Frauen gerade in Fantasy-Romanen häufig Nebenrollen spielen, habe sie in ihrem Buch ganz bewusst alles umgedreht, erklärt die 34-Jährige. Die Heldin, ihre Feinde und die Gestalten, die sie während ihrer Abenteuer trifft, besetzte die Bestseller-Autorin weiblich. Die Figur hingegen, die gerettet werden muss - traditionell eine Frau -, ist bei ihr ein Mann. Beim Großteil ihrer Leser "ist aber die Katze, die klassische Schelmenfigur, der Star", weiß sie. "Aber sie können auch etwas damit anfangen, dass Res eine gebrochene Person ist, die sich verändert." Neben dem Reiz, ihre Hauptperson zu konzipieren, fand es Kinkel auch ungeheuer spannend, ein neues phantastisches Land entstehen zu lassen. "Das hat bei mir eine spielerische Ader freigesetzt." Nachdem Roman Hocke, Endes Adoptivsohn und sein früherer Lektor, sie gefragt hatte, ob sie sich an der Hommage anlässlich des 75. Geburtstages des verstorbenen Schriftstellers beteiligen wolle, dachte sie spontan: "Das mach' ich sofort." Zwischendurch kamen Tanja Kinkel allerdings Zweifel, ob sie den "König der Narren" so schnell nach ihrem Buch "Götterdämmerung" anpacken kann.

Das verlockende Projekt siegte: Unter den Vorgaben - keine Hauptfiguren der "Unendlichen Geschichte" zu verwenden und das Ganze vor allem in Phantásien spielen zu lassen - begann sie, sich mit Endes Welt vertraut zu machen. "Hier gibt es von der Arbeitsweise Parallelen zu historischen Romanen", sagt Kinkel, die vor allem mit "Die Puppenspieler" bekannt wurde. Wie sehr sie sich an Hockes Wünsche hielt, beweist die Reaktion einiger Leser, "die tatsächlich glaubten, dass die Weberinnen von Siridom auch bei Michael Ende vorkommen" - für sie das schönste Kompliment.

Von Tanja Brinkmann